DE — Für die Kinder der Ostschweiz bedeutet «jemanden zu salzen», einem anderen Kind eine Ladung Schnee ins Gesicht zu reiben. Der spitze, eisige Schnee in meinem Gesicht und das wohlige Gefühl, wenn die Wärme wieder zurückkehrt, wie nach dem Zahnarzt. Meine erste Salzung gab mir eine genaue Idee davon, wie dieses Spiel zu spielen ist. Es war eine unumgängliche Einführung in die nachkindergartliche Sozialisierung, die mich erwarten würde, die nächsten Jahre im Vorort. Es rasch hinter mich zu bringen, würde mir immerhin die Ungewissheit nehmen, über das, was jederzeit kommen könnte, wenn der Schnee auf den Strassen liegt, und es schneite oft. Bei der ersten Gelegenheit bat ich förmlich um diese Initiation, die mich teilhaben lassen würde, an der vorörtlichen Gesellschaft. Es fühlte sich an wie ein Regelverstoss, einfach hinzuhalten, die Ladung Schnee und die gefrorenen, schleifpapierenen Handschuhe widerstandslos mit dem Gesicht entgegenzunehmen. Die vermeintliche Distanz, die ich hoffte mit meiner Passivität und meiner bewussten Wahl aufrechtzuerhalten, führte einen Moment lang zur unangenehmen Betroffenheit aller Beteiligten. Für meinen erwählten Peiniger war es sichtbar weniger befriedigend. Bei diesem Spiel müssen die Gefühle schon echt sein. Schnee ist friedlich, und die Stille, die sich über den weissen Vorort legt, ist total.
EN — For children in eastern Switzerland, ‘salting’ somebody means rubbing a load of snow into another child‘s face. My first salting gave me a precise idea of how to play this game. I recall the sharp icy snow in my face and the pleasant feeling when the warmth returned, like after the dentist. It was an unavoidable introduction to the post-kindergarten socialisation that would await me in the suburbs for the next few years. It often snowed, so getting it over quickly would take away the uncertainty of what could come at any time when the snow was on the streets. At the first opportunity, I formally requested this initiation, which would allow me to participate in suburban society. It felt like a breach of the rules to simply hold out, to accept the load of snow and the frozen, sandpaper-like gloves without resistance. The distance that I hoped to maintain with my passivity and my conscious choice led to an awkward moment for everyone involved. It was visibly less satisfying for my chosen tormentor. In this game, the feelings have to be genuine. Snow is peaceful, and the silence that descends on the white suburbs is total.
Text by Luca Beeler
Fäustling was organized with the support of Philipp Schwalb
DE — Für die Kinder der Ostschweiz bedeutet «jemanden zu salzen», einem anderen Kind eine Ladung Schnee ins Gesicht zu reiben. Der spitze, eisige Schnee in meinem Gesicht und das wohlige Gefühl, wenn die Wärme wieder zurückkehrt, wie nach dem Zahnarzt. Meine erste Salzung gab mir eine genaue Idee davon, wie dieses Spiel zu spielen ist. Es war eine unumgängliche Einführung in die nachkindergartliche Sozialisierung, die mich erwarten würde, die nächsten Jahre im Vorort. Es rasch hinter mich zu bringen, würde mir immerhin die Ungewissheit nehmen, über das, was jederzeit kommen könnte, wenn der Schnee auf den Strassen liegt, und es schneite oft. Bei der ersten Gelegenheit bat ich förmlich um diese Initiation, die mich teilhaben lassen würde, an der vorörtlichen Gesellschaft. Es fühlte sich an wie ein Regelverstoss, einfach hinzuhalten, die Ladung Schnee und die gefrorenen, schleifpapierenen Handschuhe widerstandslos mit dem Gesicht entgegenzunehmen. Die vermeintliche Distanz, die ich hoffte mit meiner Passivität und meiner bewussten Wahl aufrechtzuerhalten, führte einen Moment lang zur unangenehmen Betroffenheit aller Beteiligten. Für meinen erwählten Peiniger war es sichtbar weniger befriedigend. Bei diesem Spiel müssen die Gefühle schon echt sein. Schnee ist friedlich, und die Stille, die sich über den weissen Vorort legt, ist total.
EN — For children in eastern Switzerland, ‘salting’ somebody means rubbing a load of snow into another child‘s face. My first salting gave me a precise idea of how to play this game. I recall the sharp icy snow in my face and the pleasant feeling when the warmth returned, like after the dentist. It was an unavoidable introduction to the post-kindergarten socialisation that would await me in the suburbs for the next few years. It often snowed, so getting it over quickly would take away the uncertainty of what could come at any time when the snow was on the streets. At the first opportunity, I formally requested this initiation, which would allow me to participate in suburban society. It felt like a breach of the rules to simply hold out, to accept the load of snow and the frozen, sandpaper-like gloves without resistance. The distance that I hoped to maintain with my passivity and my conscious choice led to an awkward moment for everyone involved. It was visibly less satisfying for my chosen tormentor. In this game, the feelings have to be genuine. Snow is peaceful, and the silence that descends on the white suburbs is total.
Text by Luca Beeler
Fäustling was organized with the support of Philipp Schwalb